Kolonisationsgeschichte und Siedlungswerk

Der Kolonisationsgedanke, in schwach besiedelte Gebiete Menschen zu bringen, entsprang nicht einer Laune oder gar vielleicht der Menschenfreundlichkeit des einen oder anderen Landesherrn, sondern diente einem ganz bestimmten Zweck. Es war im Grunde der Beginn eines großzügig angelegten Wirtschaftsunternehmens zum Zwecke der Erschließung weiter Landesteile, mit dem Ziel, Wohlstand zu schaffen. Die böhmischen Herzöge und Könige als Landesherren, von denen viele mit Frauen aus angesehenen deutschen Geschlechtern verheiratet waren, sahen das Aufblühen deutscher Landschaften in der Nachbarschaft und die Entstehung deutscher Städte und Märkte, besonders während der Zeit Kaiser Heinrichs, des Städtegründers (919-935).

Im böhmisch-mährisch-schlesischen Raum gab es zu dieser Zeit noch keine Städte. Vor allem aber auch der damals in Gang geratene Zug nach dem Osten, der zur Wiederbesiedlung und Aufwertung des Ostens durch deutsche Siedler führte, dürfte auf die böhmischen Landesherren nicht ohne nachhaltigen Eindruck geblieben sein. So gesehen war demnach die angestrebte Kolonisation in Böhmen, Mähren und Schlesien keine zufällige, sondern eine genau gesteuerte und zwar durch die Herrschergeschlechter der Przemysliden, die ihre Hausmacht damit gegen den eigenen Adel stärken und die Randgebiete erschließen wollten. Die Kolonisation erfolgte unter der Voraussetzung, daß alle Faktoren, die in ihrem Zusammenwirken einen Erfolg bringen konnten, genutzt wurden. Nämlich die Bereitstellung von Grund und Boden durch die Grund- oder Landesherren, die Sicherstellung der Durchführung durch Fachkräfte (Lokatoren) und die Heranführung von Siedlern. In allen Fällen mußten die Lokatoren und Siedler nach dem Willen der böhmischen Landesherren, den Przemysliden, Deutsche sein, die aus ihrer deutschen Heimat die neuen Errungenschaften und Kenntnisse mitbrachten und in denen sie geübt waren. Dies waren z.B. die Dreifelderwirtschaft, die Einführung verschiedener landwirtschaftlicher Geräte, die in Böhmen und Mähren noch nicht bekannt waren und durch welche die Urbarmachung schneller zu erzielen war. Außerdem die Kunst des Häuserbauens aus Steinen, handwerkliche Fertigkeiten, Bergbautechnik usw. Dafür erhielten die deutschen Siedler neben verschiedenen wirtschaftlichen Vergünstigungen seitens der Grund- bzw. Landesherren gewisse Rechte, vor allem aber nach deutschem Recht leben zu dürfen.

Die erste große Siedlungsaktion dieser Art wurde unter König Ottokar I. (1197-1230) durchgeführt. Es entstanden die Städte Olmütz, Brünn, Königsgrätz, Troppau, Freudenthal und Neustadt. Bald folgten neue Städtegründungen, wie Znaim, Saaz, Kolin, Prerau u.a. Auch die Prager Gallusstadt entstand in jener Zeit. Begleitet wurde dieses Siedlungsprogramm durch den Auftrag Ottokars I. an den rheinischen Grafen Arnold von Hückeswagen, Grenzbefestigungen an der südöstlichsten Ecke seines Reiches zu bauen. Die Ausstattung der Prager Altstadt mit einem ersten Staatsprivileg erfolgte etwas später und zwar durch König Wenzel I. (1230-1253). Den Höhepunkt aber erreichte die Kolonisation unter König Przemysl Ottokar II. (1253-1278), jener ritterlichen Königsgestalt, der wir Kuhländler, die Schönhengstler und wohl auch noch viele andere deutsche Gruppen, die eine neue Heimat in diesem Siedlungsraum fanden, zu Dank verpflichtet sind. Während der Regierungszeit Ottokars II. entstanden die Städte Kaaden, Aussig, die Prager Kleinseite u. a. Nach seinem Tod wurden dann Pilsen, Tetschen, Bennisch und Kuttenberg gegründet.

Bischof Bruno von Olmütz, der Schaumburger und die Besiedelung des Kuhländchens

Das gewaltige Siedlungsprogramm König Ottokar II. wäre wohl niemals ohne die Mitwirkung dieser Bischofsgestalt, eines gebürtigen Niedersachsen, so wirkungsvoll vorangetrieben worden und so gelungen. Er, der kirchliche Würdenträger, war zugleich des Königs engster Berater und gleichzeitig sein Kanzler, der seinen Landesherrn sogar auf das Schlachtfeld begleitete. Er entstammte dem niedersächsischen Grafengeschlecht von Schaumburg, das die Stadt Lübeck gegründet hatte. Also wurde der junge Geistliche Domherr zu Lübeck und bald darauf Domherr zu Magdeburg. Papst Innozenz IV. berief ihn als Bischof nach Olmütz und nach kurzer Zeit entstand zwischen ihm und dem König jenes Vertrauensverhältnis, das dazu führte, daß ihn der König zu seinem Kanzler berief. Er weihte Bischof Bruno in seine Siedlungspläne ein und übertrug ihm die Durchführung des ganzen Siedlungsprogramms. Es handelte sich in diesem Falle nicht nur um Neugründungen einiger Städte und Dörfer, wie bei König Ottokar I., sondern um Neubesiedelung ganzer Landschaften.

Während der Regierungszeit König Wenzels I. war seinerzeit der Mongolenüberfall erfolgt und ein mongolisches Heer war bis in niederschlesischen Raum vorgedrungen und hatte ganze Landstriche verwüstet und entvölkert. Im Jahre 1241 stellte sich der Schlesierherzog Heinrich mit ungefähr 20.000 schlesischen Rittern und Reitern einem Mongolenheer von ca. 100.000 Mann entgegen. Unweit der Stadt Liegnitz kam es zu jener blutigen Vernichtungsschlacht, die als die Schlacht auf der Walstatt bei Liegnitz in die Geschichte eingehen sollte. Das Schlesierheer wurde vollständig vernichtet. Unter den Toten befanden sich auch der Herzog und sein Sohn. Europa drohte damit die Gefahr einer mongolischen Invasion. Es scheinen auf mongolischer Seite die Verluste auch so groß gewesen zu sein, daß es zu einer größeren gemeinschaftlichen Aktion des Mongolenheeres nicht mehr kam. Verschiedene Historiker meinen, daß der Tod des Großkhan Ugedai die Mongolen vor weiteren Eroberungszügen in Europa zurückgehalten hat. Wohl aber stießen einzelne Verbände noch weiter nach Süden und Westen vor und verwüsteten Teile Ungarns und Mährens. Einer dieser Stämme, die Kumanen, suchten auch unser Kuhländchen heim, das sie in den 10 Jahren ihrer Raubzüge völlig verwüsteten. In den Kämpfen mit den ungarischen Horden und den Kumanen fiel auch der Graf Arnold von Hückeswagen. Nach ihrem endgültigen Abzug, zurück nach Osten, waren das Ländchen und auch die angrenzenden Gebiete nicht nur verwüstet, sondern auch entvölkert. König Wenzel I. hatte zwar ein Heer gegen die Mongolen aufgeboten, zu größeren Kampfhandlungen schien es aber mit den in Mähren eingedrungenen Mongolenhorden nicht gekommen zu sein. Wenigstens gibt es dafür keine geschichtlichen Aufzeichnungen. Daher ist auch die sogenannte "Mongolenschlacht bei Olmütz" sagenhaft geblieben, wenn sie vielleicht auch stattgefunden haben könnte.

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